Mai 11, 2020

Gerade in der aktuellen Krisenzeit kann es für Unternehmen enorm wichtig sein, Lieferengpässe frühzeitig zu erkennen, um direkt handlungsfähig zu sein. Denn die Corona-Krise stellt die Wirtschaft auf die Probe. Zunehmend kommt es zu Lieferengpässen, da Lieferanten womöglich ausfallen, und die Preise für Ersatzlieferungen steigen stark. Die Frage, wie man während unsicherer Versorgungslagen den Überblick behält und Transparenz in der Beschaffung schafft, beschäftigt dementsprechend viele Unternehmen. Zusätzlich steigen die Anforderungen an Data Analytics: Auswertungen zu bestimmten Krisenthemen werden sehr schnell benötigt, für tagelanges Suchen nach den relevanten Kennzahlen in Datengräbern ist keine Zeit. Im Folgenden möchte ich anhand von Praxisbeispielen zeigen, wie man mit Hilfe von Data Analytics Unsicherheiten in der Beschaffung und Lieferengpässe bestmöglich meistern kann.

Lieferengpässe in der aktuellen Krise zu vermeiden – ein Beispiel

Zunächst ist es wichtig, dass über alle relevanten Daten in produzierenden Unternehmen abteilungsübergreifend Transparenz herrscht. So ist es beispielsweise wichtig, dass in den beteiligten Abteilungen deutlich ist, welche Kundenaufträge priorisiert und welche gegebenenfalls verschoben werden müssen oder ob es wichtige Schichtänderungen oder Mitarbeiterausfälle gab. Mit Data-Analytics-Lösungen können solche Informationen unternehmensweit zur Verfügung gestellt werden, so dass auch aktiv in den betroffenen Abteilungen gehandelt werden kann und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Verknüpft man solche Daten dann zusätzlich – wie es aktuell in vielen Unternehmen relevant ist – mit frei verfügbaren Daten zu der Verbreitung von Covid-19 oder bestimmten Ballungsräumen der Erkrankung, kann man die Auswirkungen auf eigene Point of Sales oder Lieferwege durch die Kombination der Daten kausal darstellen. In einer passenden Data-Analytics-Lösung kann man dann dementsprechend sehen, welcher Lieferant meines Unternehmens oder einer bestimmten Verkaufsstelle sich in einem Ballungsraum befindet und wessen Lieferungen dadurch gegebenenfalls gefährdet sind. Im Weiteren kann man dann unter anderem nachverfolgen, welche Produkte man genau von diesen Lieferanten erhält. Folglich ist es möglich, zu identifizieren, welcher der eigenen Lieferanten dieselben oder ähnliche Produkte zu den Lieferanten aus den Covid-19-Ballungsräumen bereitstellt und bei einem Ausfall Ersatzprodukte liefern könnte.

Mit einer entsprechenden Rückschreibfunktion integriert in die Data-Analytics-Lösung ist es sogar möglich, die Daten direkt in der Oberfläche zu verändern und automatisiert an die zuständige Abteilung – im oben beschriebenen Fall den Einkauf – weiterzugeben. Die interne Kommunikation wird so erheblich vereinfacht und Gegenmaßnahmen zu Lieferengpässen können proaktiv eingeleitet werden.

Ein weiteres Beispiel verbessert durch den Einsatz von Data Analytics ist die Lieferantenbewertung. Anhand bestimmter Kriterien wie Kapazitäten, Preis oder Lieferperiode können Lieferanten durch Datenanalyse-Systeme bereits schnell bewertet werden. In Krisenzeiten kann man die Gewichtung dieser Kriterien anpassen. Die Lieferzeit beispielsweise kann hier wichtiger werden als der Preis und dementsprechend die Gewichtung der Kriterien verändert werden. Auf diese Weise kann man die Lieferanten übersichtlich entsprechend der aktuellen Situation bewerten. Dadurch wird es möglich, frühzeitig zu erkennen, welcher Lieferant Schwierigkeiten für die Beschaffung schaffen könnte und wo Engpässe auftreten können.

Data Science und Wiederbeschaffungszeiten

In der Realität ist es außerdem so, dass Schätzungen zu den Wiederbeschaffungszeiten der Lieferanten stark von den realen Werten abweichen. Das bedeutet, dass die IST-Lieferdauer von der Lieferdauer aus den Stammdaten stark variiert. Hier könnte man manuell nachkorrigieren – ein Vorgang, der aber sehr zeitintensiv und aufwändig wäre. Durch den Einsatz von Machine Learning kann die Wiederbeschaffungszeit anhand historischer Daten genauer vorhergesagt werden, denn der Algorithmus „lernt“ basierend auf vergangenen Lieferungen. Die Prognose-Genauigkeit konnte so bei den Unternehmen, wo wir Machine Learning einsetzen, bereits zwischen 15 und 42 Prozent verbessert werden.

Fazit

Das Coronavirus schafft für Unternehmen im Bereich Beschaffung neue Herausforderungen, da Lieferungen unsicher werden. Mithilfe von Data Analytics ist es möglich, Transparenz über verschiedene Abteilungen hinweg zu schaffen. Lieferanten und Logistikzweige, die direkt von Ausfällen bedroht sind, können durch die Zusammenführung diverser Daten schnell identifiziert und dementsprechend ein schneller Ersatz gefunden werden. Engpässe können so vorausschauend verhindert und eine stillstehende Produktion vermieden werden. Außerdem können bisherige Analyse-Bereiche wie die Lieferantenbewertung der aktuellen Situation angepasst werden. Data Science bietet darüber hinaus weitere Lösungen, um die Analyse und Planung der Beschaffung langfristig zu präzisieren und zu verbessern.

Welche Schwierigkeiten bestimmen aktuell Ihre Supply Chain? Wir unterstützen Sie bei jeder datengetriebenen Herausforderung.


AUTOR

Jens Siebertz

Jens Siebertz ist Senior Vice President bei INFORM DataLab.