Mai 2, 2024

Die Auswahl und Priorisierung von Datenanwendungsfällen ist ein kritischer Schritt für Unternehmen, die ihre Daten effektiv nutzen möchten. Oftmals werden die verschiedenen Strategien und ihre Implikationen sowie Vor- und Nachteile jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. In diesem Artikel beleuchten wir einige Strategien und Ansätze und für welche Unternehmen sie geeignet sind. 

Verschiedene Strategien zur Priorisierung 

Es gibt verschiedene Ansätze, um Datenanwendungsfälle zu priorisieren. Vor der Priorisierung selbst jedoch, werden die einzelnen Anwendungsfälle genauer beleuchtet und mithilfe eines Scorings bewertet. Dieses Scoring basiert typischerweise auf Metriken, die sowohl die Machbarkeit (Umsetzbarkeit) als auch den Business-Mehrwert abschätzen. Für diese Bewertung bedarf es natürlich Input von z.B. potenziellen Nutzern, Nutznießern und Entwicklern des Datenanwendungsfalls. Je größer der Score für die Machbarkeit, desto einfacher ist der entsprechende Anwendungsfall umzusetzen. Diese Bewertung der Umsatzbarkeit kann sich beispielsweise auf die algorithmische Komplexität und die Risiken, die mit der Entwicklung einhergehen stützten. Die Anwendungsfälle werden dann in einem Koordinatensystem angeordnet, wobei der Mehrwert auf der Y-Achse und die Machbarkeit auf der X-Achse liegen.  Diese Darstellung dient als Ausgangspunkt für die Priorisierung. Zusätzlich können Größe und/oder Farbe der Datenpunkte in der Darstellung weitere relevante Metriken oder Eigenschaften der Anwendungsfälle codieren. Solche weiteren relevanten Größen können z.B. sein: 

  • Strategischer Mehrwert 
  • Datengrundlage 
  • Verwendete Technologie 
  • Nutzervielfalt oder Nutzeranzahl 
  • Monetäres Potenzial 

Auch die Definitionen von Mehrwert und Machbarkeit unterscheiden sich von Organisation zu Organisation, da bei keiner Organisation die Prioritäten und das Verständnis eben dieser Begriffe einheitlich sein wird.  

“Low-Hanging-Fruits” 

Eine bewährte Strategie ist die Umsetzung von “Low-Hanging-Fruits”. Hierbei werden vor allem solche Anwendungsfälle zur Umsetzung priorisiert, die einen hohen Mehrwert bei einfacher Machbarkeit bieten. Warum? Weil sie schnelle Erfolge (Quick-Wins) liefern und das Risiko bei der Umsetzung gering ist. Diese Vorgehensweise eignet sich besonders für die ersten Anwendungsfälle von Organisationen, die noch nicht bereit sind, technologisch komplexe Lösungen zu entwickeln. Durch die Fokussierung auf einfache Machbarkeit können Unternehmen schnell erste Erfolge erzielen, die Akzeptanz für datengetriebene Lösungen steigern und somit eine Datenkultur ausbilden, die den Fortschritt in diesem Bereich fördert und langfristig festigt. 

Die Vor- und Nachteile dieser Strategie sind: 

Vorteile

  • Schnelle Erfolge: Durch die Umsetzung einfacher Anwendungsfälle können Unternehmen schnell erste Erfolge erzielen. Dadurch entsteht bereits kurzfristig ein spürbarer Mehrwert. 
  • Risikominimierung: Die Fokussierung auf einfache Machbarkeit reduziert das Risiko bei der Umsetzung. Dies ist besonders bei den ersten Anwendungsfällen wichtig, da ein Scheitern der Entwicklung oder Implementierung und damit einer Verzögerung des Mehrwerts die Akzeptanz innerhalb der Organisation gefährden kann. 
  • Akzeptanzsteigerung: Die schnellen und spürbaren Erfolge fördern die Akzeptanz datengetriebener Lösungen. 

Nachteile

  • Begrenzter Mehrwert: Diese Strategie priorisiert zwar einfache Fälle, aber der langfristige Mehrwert kann dabei limitiert sein. 

“Harten Nuss” 

Die andere Seite der Medaille ist die Strategie der “Harten Nuss”. Hier liegt der Fokus auf der Technologie. Komplexere Anwendungsfälle mit hohem Mehrwert werden zuerst entwickelt, weil sie die technologische Grundlage für weitere Anwendungsfälle legen. Diese Herangehensweise erfordert initial mehr Ressourcen und Zeit, bietet jedoch langfristig einen höheren Mehrwert aufgrund der geleisteten Vorarbeit. Organisationen, die bereits über eine solide Dateninfrastruktur verfügen und bereit sind, technologische Herausforderungen anzunehmen, können diese Strategie in Betracht ziehen. 

Bei der Strategie der “Harten Nuss” arbeitet man sich schrittweise hin zur einfacheren Machbarkeit vor. Die folgend umgesetzten Anwendungsfälle profitieren von vorhandenen Lösungen, Synergien und der bereits gut ausgebauten Dateninfrastruktur und Architektur. Dies repräsentiert im Grunde den “Top-Down”-Ansatz. 

Die Vor- und Nachteile dieser Strategie sind: 

Vorteile:

  • Technologische Grundlage: Komplexere Anwendungsfälle legen die technologische Basis für weitere aufbauende Implementationen. 
  • Langfristiger Mehrwert: Obwohl diese Strategie ressourcenintensiv ist, bieten sie langfristig einen höheren Mehrwert. 

Nachteile:

  • Ressourcenbedarf: Diese Strategie erfordert mehr Zeit und Ressourcen. 
  • Zeit: Bis der erste Anwendungsfall umgesetzt ist, kann es aufgrund der zu bewältigenden Komplexität lange dauern. 
  • Risiko: Komplexere Datenanwendungsfälle können höhere Risiken mit sich bringen. 

Die Strategie “Wachsen mit den Aufgaben” 

Eine weitere interessante Strategie ist das “Wachsen mit den Aufgaben ”-Modell. Hier liegt der Fokus auf der Generierung von Mehrwert für die Organisation. Zuerst werden Anwendungsfälle mit hohem Mehrwert und hoher Machbarkeit umgesetzt. Im Verlauf darf bei der Umsetzung weiterer Anwendungsfälle die Komplexität der Umsetzung auch höher sein und ansteigen. Dies repräsentiert im Grunde den “Bottom-Up”-Ansatz. Unternehmen, die keine Quick-Wins benötigen, aber dennoch entscheidende Fähigkeiten und Kompetenzen erst noch ausbauen müssen, können von dieser Strategie profitieren. 

Die Vor- und Nachteile dieser Strategie sind: 

Vorteile:

  • Flexibilität: Diese Strategie ermöglicht die schrittweise Umsetzung von Anwendungsfällen. Dabei kann bei auftretenden Problemen kurzfristig auch ein Anwendungsfall herausgenommen werden. 
  • Business-Mehrwert: Hoher Mehrwert für die Organisation wird geliefert und steht dabei im Fokus. 

Nachteile:

  •  Komplexität: Mit der Zeit können komplexere Anwendungsfälle umgesetzt werden, was zusätzliche Herausforderungen mit sich bringt und das Unternehmen an den Herausforderungen inkrementell wachsen lässt. 

Keep it simple: Die Strategie der Metriken-Addition 

Es gibt eine weitere, sehr einfache Strategie zur Priorisierung von Datenanwendungsfällen. Wenn Mehrwert und Machbarkeit als gleichwertig angesehen werden, kann man die Metriken einfach addieren und dann ein Ranking von oben nach unten durchführen. Diese Methode ist besonders nützlich, wenn beide Aspekte – Mehrwert und Machbarkeit – für das Unternehmen gleichermaßen wichtig sind. Durch die Addition der Metriken entsteht ein Gesamtscore für jeden Anwendungsfall, der eine einfache und effektive Priorisierung ermöglicht. Diese Strategie ist unkompliziert und leicht umzusetzen, bietet aber dennoch eine solide Grundlage für die Entscheidungsfindung. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Methode möglicherweise nicht die Nuancen und Komplexitäten jedes Anwendungsfalls vollständig berücksichtigt. Daher sollte sie als ein Werkzeug unter vielen in Ihrem Priorisierungs-Toolkit betrachtet werden. 

Clustering von Anwendungsfällen: Sinnvolle Methode bei technologischen Schnittmengen 

In vielen Organisationen ist es sinnvoll, die Datenanwendungsfälle nach Gemeinsamkeiten wie Technologien oder Datengrundlagen zu clustern. Diese Methode ermöglicht eine effiziente Nutzung von Ressourcen und eine bessere Skalierbarkeit der Lösungen. Durch das Zusammenfassen ähnlicher Anwendungsfälle können Unternehmen Synergien nutzen, die sich aus technologischen Schnittmengen ergeben. Dieser Ansatz erleichtert auch die Wartung und Weiterentwicklung der Lösungen, da Änderungen an einer Technologie oder Datenquelle auf alle relevanten Anwendungsfälle angewendet werden können. 

Die Wahl der richtigen Clustering-Methode hängt von den spezifischen Anforderungen und Zielen der Organisation ab. Einige Unternehmen bevorzugen eine technologiebasierte Gruppierung der Infrastruktur, während andere sich auf gemeinsame Datengrundlagen konzentrieren. Letztendlich geht es darum, die Daten optimal zu nutzen und die strategischen Ziele zu erreichen. 

Diverse Mehrwerte für die Organisation 

Die richtige Priorisierung und Auswahl von Datenanwendungsfällen bietet der Organisation eine Vielzahl an strategischen Vorteilen. Einige davon sind: 

  1. Effiziente Ressourcennutzung: Durch die gezielte Umsetzung von Anwendungsfällen mit hohem Mehrwert und einfacher Machbarkeit werden Ressourcen optimal genutzt. 
  1. Wettbewerbsvorteil: Datengetriebene Lösungen ermöglichen es Unternehmen, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. 
  1. Langfristige Transformation: Die Auswahl von Anwendungsfällen legt den Grundstein für eine langfristige datenbasierte Transformation der Organisation in einem „Bottom-Up“  

Die Priorisierung und Auswahl von Datenanwendungsfällen ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur datengetriebenen Transformation. Die Wahl der richtigen Strategie – ob “Low-Hanging-Fruits”, “Harte Nuss” oder “Wachsen mit den Aufgaben” – kann den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Jede dieser Strategien hat ihre eigenen Vor- und Nachteile und bietet unterschiedliche strategische Vorteile. 

Es ist wichtig zu verstehen, dass es keine richtige Lösung für die Wahl der Strategie gibt. Die beste Strategie hängt von vielen Faktoren ab, darunter die Unternehmenskultur, die vorhandenen Ressourcen und die strategischen Ziele. Eine ausgewogene Mischung aus verschiedenen Ansätzen kann dazu beitragen, den maximalen Wert aus den Daten zu schöpfen. 


AUTOR

Dr. Jens Linden

Jens ist ein Data Scientist und Stratege im INFORM DataLab mit mehr als 15 Jahren Berufserfahrung in der Generierung von Mehrwert aus Daten mithilfe von Analytics, Data Science und KI. Jens vereint tiefgreifendes technisches Wissen mit Geschäftssinn, was es ihm ermöglicht, die Anforderungen der Geschäftsinteressengruppen in realisierbare Datenlösungen mit messbarem Einfluss umzusetzen. Darüber hinaus hilft er Organisationen dabei, Datenstrategien für ihre digitalen Transformationsprozesse zu entwerfen und umzusetzen.